Die Biologie ist die Wissenschaft vom Leben und schafft Wissen zum Wohl der Menschen und des Lebens. Die Stadt der Zukunft wird sich zunehmend an dieser Disziplin orientieren müssen, wenn sie eine Stadt für Menschen sein soll, die vielfältiges Leben fördert und diesem Leben nützt. Indem diese Zukunftsstadt nützlich, lebensfähig und wertvoll ist, ermöglicht sie ein Leben in Würde, die wir an jeder Stelle unangetastet sehen wollen.
Die Bionik als Teilgebiet dieser Wissenschaft liefert uns schon seit langem erstaunliche Beispiele aus der Natur, die zeigen, wie Leben zur Entfaltung kommt. Sie benutzt dabei von uns bislang unerreichte Hochtechnologien, die sich im Laufe von Millionen von Jahren entwickelt haben. Sie bringen aus wenig das Bestmögliche hervor. Die Natur entwickelt sich dabei evolutionär innerhalb der Gesetzmäßigkeiten unseres Heimatplaneten: Die Erde ist energetisch offen und stofflich geschlossen. Das bedeutet, dass wir einerseits 10.000-mal so viel Sonnenenergie kostenlos bereitgestellt bekommen, wie wir pro Jahr benötigen und andererseits, dass bestimmte Stoffe, Elemente und Ressourcen endlich sind, wobei manche von ihnen erneuerbar sind, weil sie nachwachsen.
Der moderne Städtebau und die moderne Architektur sind sichtbarer Ausdruck des mechanistisch-materialistischen Weltbild der Neuzeit und prägen unsere gebaute Umwelt bis heute. Dem cartesianischen Weltbild folgend wird alles in der Welt als kausal erklärbare Tatsache betrachtet, darunter auch Mensch, Flora und Fauna. Die Welt mit allem, was lebt, wird als Maschine betrachtet, die man in ihre kleinsten Bestandteile zerlegen und beliebig wieder zusammenbauen kann. So hat Descartes einmal einen lebendigen Hund operiert, ohne ihn zu betäuben, da ein Apparat weder Gefühle noch Schmerzen kennt.
Le Corbusier, einer der markantesten Vertreter dieses Modells hat das Haus für die Obdachlosen in Paris erstmals in der Welt mit einer Klimaanlage ausgestattet, die Fenster blieben verschlossen. Im obersten Geschoß gab es eine Krankenstation für Kinder, die zunehmend unter Lungen- und Atemwegserkrankungen litten. Die Ärzte schlugen Alarm und baten LC, die Fenster öffnen zu dürfen, was dieser 2 Jahre lang verhinderte, da er dieses Anliegen als Verweigerung des Fortschritts betrachtete. Erst Ende der 1960-er Jahre gelang es einer amerikanischen Ärztin, dass auch kleine operative Eingriffe bei Säuglingen unter Betäubung erfolgten, statt bis dahin ohne, da man den Kleinkindern unterstellte, dass auch sie weder Gefühl noch Schmerz kennen würden.
Diese räumliche Zergliederung hat große räumliche Entfernungen zwischen den Sektoren zur Folge und erfordert die autogerechte Stadt. Voraussetzung dafür ist unbegrenzt verfügbares, billiges Erdöl. Der „moderne Städtebau“ ist ein fossiler, dysfunktionaler Städtebau, der im Kontext Erde und Leben nicht tragfähig-, weil zerstörerisch ist. Er stellt eine Veränderung dar, die keine Verbesserung ist, sondern eine Verschlechterung. Nicht das Leben, sondern schleichende Zerstörung sind Folge dieses nicht ökologischen Konstrukts.
Was bis heute übersehen wird: Die räumliche Zerteilung hat auch zur sozialen Spaltung und Ausgrenzung großer Bevölkerungsgruppen geführt, obwohl uns diese baulichen Großstrukturen als sogenannter „Sozialer Wohnungsbau“ verkauft werden, ist er doch exklusiv, er schließt aus. Dieser moderne Städtebau fördert die pandemische Vereinsamung von immer mehr Menschen in unserer demokratischen Gesellschaft.
Welches Menschenbild liegt dem zugrunde? Diese aus der Zeit gefallene Ideologie ist den Menschen bis heute fremd. Sie widerspricht auch den Werten, Inhalten und Zielen einer Demokratie, in der Freiheit, Gerechtigkeit und die Würde des Menschen an oberster Stelle stehen.
Wie können wir unsere Städte und Kommunen heilen und zukünftig so gestalten, dass sie sich stetig verbessern und Leben wieder fördern?
Das beleuchten wir in den kommenden Beiträgen.
[1] Der Begriff „Organismus“ wurde 1700 von dem Mediziner und Botaniker Georg Ernst Stahl als Gegenentwurf zum cartesischen Begriff des „Mechanismus“ gebildet. (Online-Wörterbuch Wortbedeutung.info)
[2] „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. Oder negativ ausgedrückt: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.“ Das Prinzip Verantwortung, Hans Jonas, 1979.